Wie ein Schweizer Uhrwerk funktionieren die Vorbereitungen zu den EuroGames 2023 in Bern. Ihr habt bestimmt schon die detaillierten Infos auf https://eurogames2023.ch/de/dancesport gelesen. Zusammen mit Turnierdirektor Willy Beutler freuen wir uns auf Tänzer*innen aus Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Israel, Niederlande, Österreich, Polen, Schweiz, Ungarn, USA und natürlich aus Deutschland. Die Europäischen Paare und Teams tanzen um die Europameister-Titel 2023 im Equality-Tanzsport.

Wir wünschen Euch einen erfolgreichen Trainings-Endspurt und eine gute Anreise in die Schweizer Hauptstadt mit dem Bären als Wappentier.

Die Startlisten und später auch die Ergebnisse findet Ihr hier:
https://www.equalitydancing.de/files/Ergebnisse/230727u28_EG-Bern/index.htm

Es war nicht der erste Versuch, gleichgeschlechtliche und gemischtgeschlechtliche Tanzturniere in Deutschland innerhalb einer gemeinsamen Veranstaltung anzusetzen, aber dennoch ist das, was sich am 17. und 18.Juni beim TSC Schwarz-Gelb Aachen zutrug, beachtens- und berichtenswert.

DTV- und DVET-Turniere austragungstechnisch miteinander zu vermischen, das ist heikler, als man zunächst meinen möchte. Der Modus ist ein anderer, die Ablaufroutinen sind andere, die Struktur des Publikums ist ebenso unterschiedlich wie die Kultur des Zuschauens, und nicht zuletzt benutzt man teilweise unterschiedliche Begrifflichkeiten für Gleiches – bzw. gleiche Begrifflichkeiten für Unterschiedliches, woran man als Turnierleiterin oder Turnierleiter zuweilen verzweifeln möchte, wenn die Turniere ineinander geschachtelt sind.

So war es denn durchaus mutig, das traditionelle "Tanzen im Dreiländereck"  (oft auch liebevoll "3LE" genannt), das traditionell Mitte Juni an drei Standorten in Aachen über zwei Tage stattfindet, zusätzlich um zwei Equality-Turniere (sozusagen "Q3LE") zu erweitern und einfach mal zu schauen, ob es angenommen wird und wie es sich ausgeht. Aachen hat sich in jüngster Zeit zu einer Equality-Hochburg seitens der Aktiven entwickelt, und da ist es natürlich folgerichtig, dass auch mal ein Equality-Turnier in Aachen stattfindet und nicht immer nur in der großen, nicht ganz so weit entfernten Stadt am Rhein, die sich nicht zu Unrecht als Hauptstadt des deutschen Equality-Tanzsports sieht.

Gesagt, getan, gelungen. Manchmal braucht es nur ein wenig Herzblut und ein bisschen unschuldige Naivität seitens des Ausrichters, und dazu vor Ort eine Klientel, die offen für Neues ist, um Projekte zum Erfolg zu bringen.

Und so können wir nicht nur pflichtschuldig festhalten, dass sich das Team von Schwarz-Gelb nicht nur bestens in die Equality-Regularien eingearbeitet und dadurch schon im ersten Versuch ein professionelles Turnier zustande bekommen hat. Vielleicht mal abgesehen von der Kleinigkeit, dass ich noch nie ein Turnier erlebt habe, bei dem dermaßen viele Sichtungsrunden anmoderiert worden sind. Aber das ist Lästern auf hohem Niveau.

Über den bloßen Sport hinaus haben wir aber vor allem auch gesehen, wie sehr bei dieser gemeinsamen Veranstaltung die DTV-Sparte von der DVET-Sparte lernen und profitieren kann – und umgekehrt.
Geradezu fassungslos erlebten die DTV-Fraktion, dass Equality-Publikum doch tatsächlich nicht vor Turnierende nach Hause fährt und dazu auch noch Paare anfeuert, und zwar nicht nur die "eigenen". Dabei war der Publikumsandrang für Equalityverhältnisse eher übersichtlich. Dennoch war er ein Segen für leidgeplagte DTV-Paare, die ihre Endrunden traurigerweise manchmal nur vor den Wertungsrichtern und den eigenen Eltern absolvieren müssen, die ihre Kinder schon so oft haben tanzen sehen, dass sie des Klatschens müde geworden sind.

Was bei der DTV-Sparte ebenfalls nicht nur gut ankam, sondern sogleich genutzt wurde, das ist die Offenheit des Equality-Turnierwesens gegenüber spontanen Paarbildungen und Nachmeldungen mitsamt kaum vorhandener Kleiderordnung. Während der Meldestand für das sonntägliche Lateinturnier 24 Stunden davor noch bei sechs Paaren lag, waren es am Samstagabend schon acht und zum Turnerbeginn am frühen Sonntagnachmittag schließlich dreizehn Paare, die zusammen in die Sichtungsrunde gingen. Eine kurzfristige Zunahme, die auch für Equalityverhältnisse außergewöhnlich ist. War das reiner Zufall, waren es spontane Entscheidungen von Leuten aus studentischem Umfeld aus der guten Laune des ersten Turniertages heraus? Oder brach sich da das starke Bedürfnis der DTV-Tänzerschaft Bahn, endlich einmal herauszukommen aus dem starren DTV-Korsett, das Turnierteilnahmen selbst in unterschiedlichen Sektionen immer nur mit dem einen, einzigen, eingetragenen Partner erlaubt? Nun, es darf spekuliert werden. Und im DTV sollte man möglicherweise mal in sich gehen.

Der unvermittelte lateintanzende "Flashmob" hat jedenfalls dazu geführt, dass auch die Equality-Fraktion durch die gemeinsame Turnierveranstaltung etwas Außerordentliches erlebt hat, das es auf separaten Turnieren innerhalb der eigenen, immer älter werdenden Community nie gibt; nämlich lauter junge Tanzpaare auf der Turnierfläche, die keine Schwellenangst haben, einfach mal als Frauen- oder Männerpaar anzutreten. So kam denn in mir im Angesicht des wahrscheinlich niedrigsten Durchschnittsalters eines Equalityturniers in diesem Jahrtausend der Gedanke auf, dass sich DVET und etablierte Equality-Turnierveranstalter vielleicht einmal fragen sollten, ob man nicht in den falschen Teichen fischt, um dem Equalitytanzen zu mehr Attraktivität zu verhelfen.
Wer welche Gesinnung hat, wer sich als was identifiziert und wer sich zu was bekennt, das war an diesem regenbogenfahnenfreien Wochenende in Aachen so wichtig wie die Farbe eines Stecknadelkopfes, nämlich gar nicht. Stattdessen erlebten alle, die dabei waren, eine wunderbar erträgliche Leichtigkeit des Seins.

Auch den Schwarz-Gelben hat es gefallen. Und zu Recht waren sie auch ein bisschen stolz auf sich. Möglicherweise wird schon in einem Jahr, am 15. und 16. Juni 2024, zu "Q3EL#2" geladen. Dann auch gern mit mehr Paaren aus der großen, nicht ganz so weit entfernten Stadt am Rhein als bei der Premiere.
Ich würde mich über beides freuen.  

Thorsten Reulen

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