EuroGames/EM 2021 in Kopenhagen und das klare Bekenntnis des "Hurra, wir tanzen noch!"

EuroGames Kopenhagen 2021 - Tag 1

Im Februar 2020 wurden im chinesischen Wuhan Hauseingänge zugemauert, und in London traf sich die Equality-Tanzszene wie in jedem Jahr dicht gedrängt und gut gelaunt an einem ihrer traditionellen Hotspots der Turniersaison, der "Pink Jukebox Trophy". Wer hätte damals gedacht, dass das Wörtchen "Hotspot" danach in ganz anderem Zusammenhang manifest werden sollte und dass es fast eineinhalb Jahre dauern würde, dass in Europa wieder ein Equality-Tanzturnier stattfinden würde?

Und wenn schon, dann auch gleich um EM-Titel. Nach der Absage von Düsseldorf 2020 finden in Kopenhagen nun wieder EuroGames statt. Ob es angemessen sein würde, den dortigen Tanzturnieren einen offiziellen Europameisterschaftsstatus zukommen zu lassen, war aus naheliegenden Gründen keine leichte und vor allem keine langfristig zu treffende Entscheidung. Letztendlich hat sich der europäische Equalityverband ESSDA aber aufgrund des guten Impffortschritts in der EU, zunehmend erlaubter Trainingstätigkeit, abnehmender Reiserestriktionen und der Tatsache, dass bereits Meldungen aus einer bestimmten Mindestzahl von Ländern für die EuroGames-Turniere vorlagen, für die Vergabe der Europameisterschaft nach Kopenhagen 2021 entschieden. Gleichzeitig war klar, dass auch mit EM-Status die Paare Europas nicht gleich wieder in Scharen zusammenströmen würden. Aber wann wäre er gewesen, der vielleicht bessere Punkt zum Wiedereinstieg, und wer hätte ihn wann und wie definieren dürfen? Man hat es also einfach gewagt. Und die lange Zeit seit London 2020 und vor allem die seit der letzten offiziellen Equality-EM (2017!) hat sicher auch eine Rolle gespielt, die erste realistische Chance zu nutzen, wieder loszulegen.

Nun ist er also wieder da, der Equality-Tanzsport. Noch nicht ganz so wie vor der Pandemie, aber immerhin.

Wie aus Kopenhagen gewohnt, ist alles sehr liebevoll gemacht, und ich würde sogar die Formulierung "entspannt und locker" wagen, und doch ist eben so einiges gerade nicht "wie gewohnt". Auf der einen Seite ist es extrem wohltuend, dass hier weder Paare noch Zuschauer Masken tragen müssen und es keine Zugangsbeschränkungen gibt, auch wenn ich persönlich ein 3G-Event bevorzugt hätte. Auf der anderen Seite hebt das nicht das pandemische Verhalten der Beteiligten auf, und wenn man an diesem ersten Turniertag ganz genau hinschaut, dann sieht man, dass sich die Beteiligten halt eben nicht wie früher ständig umarmen oder auf die Schulter klopfen. Das ist schon etwas unheimlich, weil man es von den gleichen Leuten anders gewohnt ist. Wobei ich da nicht falsch verstanden werden will. In Dänemark hat man per se keine Angst mehr vor dem Coronavirus. Sobald man aus dem Flughafenterminal heraustritt, kann die Maske ins Gepäck, bis man das Land wieder verlässt. Auch im Öffentlichen Verkehr müssen seit Beginn dieser Woche keine Masken mehr getragen werden, und fast niemand tut es freiwillig von sich aus. Die Impfquote ist hoch und das Gut der persönlichen Freiheit hat in Skandinavien generell einen besonders hohen Stellenwert. Dass hier in der Halle dennoch nicht die Mäuse auf dem Tisch tanzen, hat viel mit der Anwesenheit von Ausländern, ebensoviel mit Respekt und ein bisschen auch mit Praktikabilität zu tun. Wer will schon ständig alle möglichen Leute fragen, ob es für sie in Ordnung ist, ihnen näher als 80cm zu kommen? Da bleibt man halt gleich etwas auf Abstand.

Die Startfelder des ersten Tages sind sehr übersichtlich, um es vorsichtig auszudrücken. Die HGR Frauen Latein fand mit gerade einmal 6 Paaren statt und die HGR Männer Standard mit 5 Paaren. Bei den 10 Tänzen heute Vormittag waren es insgesamt (Frauen und Männer, Hauptgruppen und Senioren) 5 Paare, von denen auch noch eines wegen Verletzung abgebrochen hat. Nichtsdestotrotz werden wir hier im Verlauf der drei Turniertage kaum unwürdige Titelträger*innen erleben, denn durch die Ausrufung einer offiziellen EM (inkl. 9 internationalen Wertungsrichter*innen an der Fläche) hat es einige "meisterschaftsaffine" Spitzenpaare hierher verschlagen, die auch bei einer nichtpandemischen Meldelage gute Sieges- oder Medaillenchancen gehabt hätten. Womit die Befürchtung vom Tisch wäre, dass die 2021er-EM eine sportliche Farce werden könnte. Auch wenn es hier viel, viel leichter ist, Medaillen zu holen, als dies z.B. 2017 der Fall war. Aber sei es drum. Hier sind alle froh, dass es nach über eineinhalb Jahren wieder losgeht.

Am Ende des ersten Tages stehen zum einen die Freude und Erkenntnis darüber, dass sich Tänzerinnen und Tänzer sowie eine im Laufe des Tages deutlich zunehmende Zahl von Zuschauerinnen und Zuschauern ein gutes Stück freigetanzt und freigeklatscht haben und das klare Bekenntnis des "Hurra, wir tanzen noch!" in der Luft lag, die allen ein sehr gutes Gefühl gegeben hat. Mein erster Eindruck zu Turnierbeginn, dass man nicht so arg viel verpassen wird, wenn man hier nicht live dabei ist, hat sich gewandelt. Doch, man verpasst schon etwas. Keine große, spannende, perfekt organisierte Turnierveranstaltung; aber es könnte sich hier so etwas entwickeln wie "der Geist von Kopenhagen", der allen Anwesenden Kraft und allen Nichtanwesenden Mut geben kann und in das kollektive Gedächtnis eingehen als der Moment, da der gleichgeschlechtliche Tanzsport wiederauferstanden ist. Mögen nicht etwaige Virusvarianten oder politische Maßnahmen dem entgegenstehen.

Nach Aufsetzen der nationalen Brille dürfen wir uns zudem darüber freuen, dass zwei der 5 EM-Titel des ersten Turniertags nach Deutschland gegangen sind. In der Hauptgruppe über 10 Tänze konnten Miriam Meister und Angela Pikarski aus Köln ihren Titel von 2017 (!) verteidigen, und im 10-Tänzeturnier der männlichen Senioren haben Thomas Bensch und Simone Biagini aus Berlin ihrem WM-Gold von 2018 nun ein EM-Gold hinzufügen können. Hinzu kommt EM-Silber für Meister/Pikarski in der Lateinsektion, wo die dänischen Siegerinnen Charlotte Lange und Sandra Thomas das Kunststück vollbrachten, das beste Turnier ihrer Karriere zu tanzen. Auch im Turnier der Hauptgruppe Standard der Männer gab es eine Titelverteidigung von 2017. Damals eine kleine Sensation, war der heutige Sieg von Rafal Chmiela und Grzegorz Dyrda aus Polen heute quasi ein Selbstgänger. Eine "halbe" deutsche A-Finalbeteiligung gab es auch hier. Als mittanzender Sieger der B-Klasse wurde Michael Kraus hier mit seinem dänischen Partner Dritter.

Morgen werden die Hauptgruppen Frauen Standard und Männer Latein im Mittelpunkt stehen. Beide Startlisten sind kurz, aber hochklassig und vielversprechend.

Text: Thorsten Reulen

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